Edouard Carmignac greift zur Feder und kommentiert aktuelle wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Herausforderungen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der Vermögensverwaltung reicht es nicht aus Recht zu haben. Entscheidend ist auch im richtigen Moment Recht zu haben – also nicht zu früh und natürlich auch nicht zu spät.
Das Jahr 2017 war für unser internationales Fondsmanagment besonders frustrierend. Wie wir zu Jahresbeginn bereits antizipierten, entwickelten sich die Aktienmärkte, trotz der Befürchtungen insbesondere im Hinblick auf die Unberechenbarkeit von Donald Trump und den ungewissen Ausgang der französischen Wahlen, recht gut. Infolgedessen erzielten unsere Anlagen in US-amerikanischen Technologiewerten, europäischen Werten und sogar in Werten aus Schwellenländern beachtliche Zuwächse. Allerdings sorgten unsere Öltitel, trotz eines stabilen Rohölmarktes für Enttäuschung. Die Aussicht auf eine „grüne Wirtschaft“ begeistert Anleger und trübt die Nachfrage nach Kohlenwasserstoffen.
Obwohl wir zu Jahresbeginn auch mit einer Abwertung des Dollars rechneten, hat uns die abrupte Aufwertung des Euros gegenüber der US-Währung (15% in acht Monaten) überrascht. Ab September sorgten dann sowohl das Versprechen von Konjunkturmaßnahmen in den USA als auch das Festhalten der EZB an einer mehr als akkommodierenden Geldpolitik für eine Stabilisierung des US-Dollars und eine Beibehaltung der kaum tragbaren Zinsniveaus.
2018 beginnt unter besseren Vorzeichen. In den USA muss sich die von einer halbherzigen Steuerreform erwartete Ankurbelung des Wachstums angesichts der in den vergangenen Monaten verzeichneten ersten Anzeichen einer Abschwächung erst noch klar zu erkennen geben. In Europa ist die Aufrechterhaltung einer Politik negativer Zinsen immer weniger vereinbar mit einer Wachstumsrate von knapp 2% und einer Inflation, deren Rückgang gebannt zu sein scheint. Unter diesen Bedingungen muss der Euro seinen Anstieg gegenüber dem Dollar fortsetzen, während die Fed wiederum weniger geneigt sein dürfte, ihre Leitzinsen weiter anzuheben. In diesem Szenario werden europäische Vermögenswerte gleich doppelt unter Druck stehen. Anleihen werden nämlich unter der allmählichen Anhebung der Zinsen zu leiden haben, und für Aktien dürfte die Aufwertung der Einheitswährung eine Belastung darstellen. Auf der anderen Seite wird das Nachlassen des Drucks auf amerikanische Zinsen US-Aktien mit hoher Transparenz, unter anderem Technologiewerten, sowie dem gesamten Schwellenländeruniversum zugute kommen. Erdölwerte werden ihrerseits gleichermaßen von der Verlängerung des OPEC-Abkommens und vom Rückgang des Dollars profitieren, der sämtliche Rohstoffe unterstützt, allen voran Gold.
Mit Zuversicht in die positiven Aspekte dieser wenig konsensfähigen Aussichten wünsche ich Ihnen alles Gute und ein gewisses Maß an Gelassenheit.